Starke Frau #4 Karin Bloom
„Sei stark, hilf anderen!“
Vita:
1957 Volksschulabschluss
Kaufmännische Lehre
Buchhalterin, bis zur Geburt des 1. Sohnes
Familienarbeit
Kaufmännische Angestellte
Pflege des an Parkinson erkrankten Mannes
seit 23 Jahren beim „Weißen Ring“ (Verein für Kriminalitätsopfer) aktiv
Karin Bloom ist das Gegenteil von dem, was man sich gemeinhin als „Karrierefrau“ vorstellt. Im Gegenteil! Einen Großteil ihres Lebens hat sie ihrer Familie gewidmet. Nach der Elternarbeit kümmert sich die Siebzigjährige heute um ihren an Parkinson erkrankten Mann. Dennoch fühlt sie sich so stark, dass sie anderen Menschen gerne etwas mitgeben würde – und engagiert sich deshalb beim Weißen Ring.
Für ihre besonderen Verdienste bekam sie dafür das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Wie dürfen wir Sie vorstellen?
Ich bin eine Frau, die mit dem Leben zufrieden ist. Ich lese gerne, reise, fahre viel Fahrrad, belege Sprachkurse und gehe seit 30 Jahren regelmäßig ins Theater. Seit 23 Jahren bin ich beim Weißen Ring tätig und kümmere mich um Opfer von Kriminalität in Osnabrück Stadt und Land.
Worüber definieren Sie sich?
Ich definiere mich eigentlich nur über mich selbst. Mich über etwas zu definieren liegt mir grundsätzlich fern. Vor allem möchte ich mich nicht über die Arbeit mit den Opfern definieren, denn das tue ich gerne.
Ihr Lebensmotto?
Positiv denken!
Wie leben Sie Ihr Motto?
Ich helfe Menschen. Das gibt mir ein extrem gutes Gefühl. Häufig werde ich gefragt: Warum machst du das? Warum belastest du dich mit den Sorgen anderer? Was bekommst du überhaupt dafür? Also – ich bekomme dafür gar nichts und ich tue es gerne. Wenn ein Opfer – nach all dem, was es erlebt hat – hier lächelnd rausgeht, ist das für mich ein großer Dank. Daran kann ich mich erfreuen. Es freut mich auch, wenn ich zu Weihnachten Post von ehemaligen Opfern – häufig Kinder – bekomme, die mir sagen, dass sie jetzt gut in der Spur des Lebens laufen.
In jeder starken Frau steckt auch eine schwache. Was hat Sie zur starken Frau gemacht?
Das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen hat mich zur starken Frau gemacht. Ich habe viel Erfahrungen gesammelt muss aber sagen, dass ich aus all dem, was ich erlebt habe, auch immer gut herausgekommen bin. Bevor ich mich beim Weißen Ring engagierte habe ich mir genau überlegt „Kann ich das?“. Davor habe ich zwei Elternteile gepflegt, die dann bei uns im Haus starben. Nach deren Tod hatte ich dann das Gefühl: ich muss etwas weitermachen, denn ich habe die Gabe mit Menschen umzugehen, die in prekären Situationen sind. So ist meine Arbeit entstanden.
Was haben Sie daraus gelernt?
Ich habe gelernt, dass man sehr stark sein kann, wenn man vor eine Aufgabe gestellt wird, die man bewältigen will. Das hat mich in meinem Glauben gestärkt, dass ich viel mehr kann, als ich mir selbst zugetraut habe.
Was würden Sie heute Ihrem 18-jährigen „Ich“ mit auf die Lebensreise geben?
Lass dich nicht verbiegen! Sei dankbar für eine offene und freie Erziehung, so wie ich sie hatte. Lerne, dass du frei agieren kannst. Ich finde es wichtig, dass man sich selbst bestimmen kann.
Wann hatten Sie im Leben die größten Selbstzweifel?
Das war bei mir ganz klar in der Pubertät. Da ist man noch nicht „fertig“ und meint dennoch man sei „groß“. Danach hatte ich wenig Selbstzweifel, denn ich habe einen starken Partner gefunden, der auch wenig Selbstzweifel hatte. Da haben wir uns ganz gut ergänzt.
Wie motivieren Sie sich selbst?
Ich brauche keine Motivation! Wenn ich irgendwo sehe, dass Hilfe gebraucht wird, bin ich da! Das ist vielleicht eine Neigung von mir immer helfen zu wollen.
Was ist ihr Geheimtipp für mentale Stärke?
Das geht bei mir über Orientierung. Immer wenn in meinem Leben ein Problem auftritt, versuche ich mich zu orientieren. Was kann ich machen? Wie kann ich das bewältigen? Ich sehe das hier bei den Opfern. Denen ist etwas passiert und sie gehen erst einmal zurück und haben hinterher keine Traute mehr sich nach vorne zu öffnen. Gerade Offenheit ist für mich ein wichtiger Wert. Ich muss mit jemandem frei sprechen können.
Wie wichtig ist Selbstliebe für Sie?
Selbstliebe ist ein Wort, das ich für mich gar nicht annehmen kann. Man muss sich selbst mögen und sehen, wie man ist. Man sollte sich selbst nicht überschätzen – aber auch nicht unterschätzen. Welcher Mensch liebt sich selbst? Ich denke, es geht mehr darum den Nächsten zu lieben. Ich finde, wenn man sich selbst nach außen hin gut und fair benimmt, ist das doch schon genug!
Was können andere Frauen von Ihnen lernen?
Ich glaube, das ist der falsche Ansatz. Ich schaue mir meine Umwelt gut an und denke eher: was kann ich von denen übernehmen. Lernen – das klingt mir zu sehr nach Schule.
Welcher Mensch inspiriert Sie besonders?
Mein Großvater ist der Mensch, der mich besonders inspiriert hat. Er hat mich gelehrt im Leben mit Mensch und mit Tier gut umzugehen. Er hat vorgelebt, dass Mensch und Tier wichtig sind. Wir lebten nach dem Krieg gemeinsam auf einem Bauernhof. Mein Vater ist im Krieg gefallen – meine Mutter war also Witwe. Mein Opa hat seine Tiere nie überfordert. Wenn beispielsweise ein Pferd schwitze, wurde angehalten und das Pferd trocken gerieben. Wenn Nachbarn kamen und fragten: „Können wir morgen deine Pferde haben?“, hat er immer zugesagt. Kritik meiner Oma begegnete er stets damit, dass er sagte: „Wir können einen Tag warten“. Diese Lebensprämisse habe ich dort täglich erlebt. Das war mir zeitlebens ein Vorbild.
Wie gehen Sie mit dem Thema „älter werden“ um?
Älter werden und dabei gesund zu bleiben ist gar keine große Sache. Aber man muss die Einschnitte akzeptieren. Was ich nicht ertragen kann ist, wenn jemand klagt. Wir tragen schließlich alle einen „Lebensrucksack“.
Was machen starke Frauen anders oder besser als Männer?
Frauen sind nachhaltiger. Männer handeln ein Thema ab, dann ist das erledigt. Frauen aber schauen noch einmal und fragen: Wie geht es weiter? Was kann ich verbessern? Frauen haben mehr Empathie und selbst bei starken Frauen ist immer noch eine gewisse Weichheit da. Das finde ich gut!
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